Auftragsliebe
Ein schwuler Liebesroman
E-Book und in Kürze als Taschenbuch bei Amazon.de
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Zwei attraktive Männer, die ganz unterschiedlich sind und doch vieles gemeinsam haben: Natan, der ruhige, vernunftgesteuerte Antiquitätenhändler, und Tadeo, der lebhafte, impulsive Künstler. Sie kennen einander nicht. Durch merkwürdige Ereignisse begegnen sie sich, zunächst voller Misstrauen gegen den andern. Irgendjemand scheint die Fäden zu ziehen – aber wer? Und weshalb? Der mysteriöse Unbekannte dirigiert sie durch halb Europa bis nach Mexiko. Dabei bieten sich Gelegenheiten für heißen Sex mit Fremden – nur Natan und Tadeo können einander einfach nicht näherkommen. Wie wird dieses aufregende Abenteuer für die beiden enden?
Leseprobe aus: Tilman Janus: Auftragsliebe
Copyright: Tilman Janus, 2024
1. Natan
Ein langes, heißes Schwert aus Fleisch und Blut. Nicht das Schwert von König Artus und auch nicht das eines japanischen Samurai, sondern das meines Chefs. Es bohrte sich in meinen Arsch, wühlte in meinem Innersten, stieß weiter vor, glitt etwas zurück und schob sich wieder tiefer, bis zum Anschlag.
»Gut!«, seufzte ich.
Jörn stöhnte. »Ja! Gut!«
Er presste mich noch fester auf die Matratze. Mein Steifer rieb sich auf dem Laken. Ich versuchte, Jörn mit meinem Hintern mehr entgegenzukommen, aber dieser große Kerl ließ gar keine Aktivität von mir zu. Er vögelte mich jetzt so heftig, dass ich bloß noch daliegen und genießen konnte. Ich spürte sein Pumpen in meinem Kanal, was ich besonders liebte. Obwohl es sich bei Jörn nie sehr deutlich anfühlte.
Jörn zog seinen Schwanz aus meinem Loch, richtete sich auf und drehte mich um. Er griff nach meinem Kolben und wichste ihn sehr fachmännisch. In kaum einer Minute sammelte sich mein Sperma zum Abschuss und spritzte im hohen Bogen an Jörns leicht behaarte Brust.
Mein erfahrener Stecher warf sich auf die Seite und legte seine Hand auf meinen feuchten, noch halb steifen Schwanz. Ein paar Minuten lang lagen wir nur da und sprachen nicht.
»Wann ziehst du bei mit ein, Natan?«, fragte er dann leise.
»Das weißt du doch, Jörn – nie!«
»Ich frage trotzdem immer wieder und hoffe, dass du es dir doch mal anders überlegst.« Er lächelte dabei. Jörn war nicht nur ein guter Chef, sondern auch ein sehr toleranter und friedfertiger Mensch. Er wusste genau, dass ich meine Selbstständigkeit nicht aufgeben wollte. Jörn war neunundvierzig, genau zwanzig Jahre älter als ich. Sein gut trainierter Körper funktionierte noch tadellos. Aber als Lebenspartner – da hätte ich doch einen etwa gleichaltrigen Mann bevorzugt. Trotzdem genoss ich seine Zuneigung, ohne selbst verliebt zu sein, und fühlte mich bei ihm gut aufgehoben. Vielleicht lag es daran, dass ich keine Eltern mehr hatte und auch sonst keine Verwandten. Jörn war, seitdem ich vor drei Jahren in seinem edlen Antiquitätengeschäft angefangen hatte, ein bisschen Vaterersatz für mich. Er hatte mir eine Chance gegeben, nachdem ich mein Kunstgeschichts- und Sprachenstudium mit vierundzwanzig abgebrochen hatte, weil mir die Lust aufs Studieren abhandengekommen war. Zwei Jahre lang hatte ich mich dann mit verschiedenen Jobs durchgewurschtelt, bis ich kurz nach dem Tod meiner Mutter bei Jörn gelandet war. Er hatte mir viel beigebracht und mich zu einem in der Branche anerkannten Antiquitätenfachmann ausgebildet. Sicher auch, weil er vernarrt in mich war, aber nicht nur deshalb. Er war einfach ein toller Mensch, und wir vertrauten einander ohne Einschränkungen.
Es klingelte an der Tür. Jörns geräumige, geschmackvoll eingerichtete Wohnung lag über seinem Antiquitätengeschäft, ihm gehörte das ganze Haus in Berlin-Zehlendorf, schuldenfrei.
Er stöhnte genervt. »Das ist doch bestimmt wieder Susanne!« Er stand auf, warf einen Samtbademantel über und ging zur Tür. Ich blieb noch im Bett liegen, verhüllte aber anstandshalber meinen großen Schwanz und die fetten Eier mit der Decke, um Susanne, Jörns ältere Schwester, nicht in Verlegenheit zu bringen.
Ich hörte ihre Stimme schon vom Flur her. Sie war genauso gutmütig und warmherzig wie ihr Bruder, wenn sie es auch manchmal mit der Bemutterung ihres Bruders und seines Geliebten – also meiner Person – übertrieb. Susanne wohnte in der Nähe, war unbemannt und kinderlos, sie brauchte einfach jemanden zum Umsorgen.
»Hallo, Natan!«, rief sie fröhlich ins Schlafzimmer hinein und winkte mir zu. »Ich habe euch Schnitzel und warmen Kartoffelsalat mitgebracht!«
Warmer Kartoffelsalat? Klang irgendwie schwul!
»Lieb von dir, Susanne!«, rief ich zurück. Ich zog mich rasch an und ging ins Esszimmer.
»Susannchen, es ist Mai und ziemlich heiß!«, meinte Jörn. »Wie kommst du auf warmen Kartoffelsalat?«
Sie kicherte. »Ein tolles Rezept! Probiert erst mal!«
Wir aßen – und es war wirklich gut. Die schön festen Pellkartoffelscheiben hatten das Aroma der übrigen Zutaten viel besser angenommen als bei kaltem Salat.
Das war also die Situation an einem Montagabend Anfang Mai 2024: ich saß mit Jörn und seiner Schwester zusammen wie in einer echten Familie am Esstisch. Es war nicht so, dass ich wild auf viel Verwandtschaft war, aber ganz ohne gefiel es mir auch nicht. Ich genoss also den Familienanschluss.
Mein Vater Ernst Winter war 2020 mit fünfundsiebzig Jahren an Covid gestorben und meine Mutter Karin Winter nur ein Jahr später mit sechsundsechzig. Auch Verwandte meiner Mutter gab es keine mehr. Ich war ein »spätgeborenes« Einzelkind, meine Mutter war bereits vierzig bei meiner Geburt im Jahr 1995 gewesen, mein Vater fünfzig. Das Verhältnis zu meinem Erzeuger hatte sich nicht besonders gut gestaltet. Ehedem ein hoher Staatsbeamter, war er äußerst streng und konservativ. Meine Mutter, als junge Frau Stenotypistin, durfte seit der Heirat 1985 nicht mehr arbeiten gehen, sondern hatte sich ausschließlich um den Haushalt zu kümmern. Sie schien sich mehr vor ihrem Gatten zu fürchten als ich. Als ich ihr mit vierzehn anvertraute, dass ich mich schwul fühlte, riet sie mir dringend, es Vater nicht zu verraten. Ich zog dann mit achtzehn aus und führte mein eigenes Leben.
»Also, es hat euch geschmeckt!«, stellte Susanne zufrieden fest. »Ich räume noch schnell das Geschirr in den Spüler.«
»Lass gut sein, Susannchen!«, sagte Jörn. »Das mache ich schon selbst. Deine Katze wartet doch bestimmt sehnsüchtig auf dich.«
»Ich werde auch nach Hause gehen«, warf ich ein. »Ich will noch etwas im Netz recherchieren.«
Jörn wirkte ein bisschen unglücklich, er hatte wohl auf einen zweiten Fick gehofft.
Kurz danach schlenderte ich durch die milde Maiabendluft den knappen Kilometer zu meiner eigenen Wohnung. Weil ich ziemlich dringend pinkeln musste, schaute ich nicht in meinen Briefkasten, sondern ging gleich in den zweiten Stock hinauf. Nachdem sich meine Blase wohltuend entspannt hatte, setzte ich mich an den Laptop und checkte zuerst meine privaten Mails. Das tat ich grundsätzlich nie während der Arbeitszeit bei Jörn. (Unser Sex fand übrigens auch immer nach der Arbeit statt.)
Neben diversem Werbemüll fand ich eine seltsame E-Mail, die ich zuerst für einen Phishing-Versuch hielt. Dann sah ich, dass ein kleines Bild über dem Text eingefügt war: ein Adler, der auf einem Feigenkaktus saß und eine sich wütend wehrende Schlange mit den Krallen und dem Schnabel festhielt. Ich kannte das Motiv – es war das Wappen Mexikos.
Nun wurde ich doch neugierig, wer mir das mexikanische Wappen ins Haus geschickt hatte. Als Absender war ein »Fred Müller« angegeben, mir komplett unbekannt.
Herr Müller schrieb: »Sehr geehrter Herr Winter! Heute wende ich mich an Sie in einer äußerst delikaten Angelegenheit. Ich bin Geschäftsführer einer großen Versicherungsgesellschaft und suche einen zuverlässigen, fachkundigen Menschen zur Unterstützung. Sie wurden mir als kompetenter Mitarbeiter eines namhaften Antiquitätenhändlers empfohlen. Außerdem habe ich erfahren, dass Sie Englisch, Französisch und Spanisch sprechen. Es geht um die diskrete Aufklärung eines Diebstahls aus einem Museum und um die möglichst wenig Aufsehen erregende Wiederbeschaffung des betreffenden Artefakts. Es handelt sich um das Original der berühmten, aztekischen »Federkrone des Moctezuma«, die sich bis dato im Weltmuseum Wien befand. Sicherlich ist Ihnen bekannt, dass diese Krone weltweit das einzige erhaltene Exemplar eines solchen Kopfschmuckes ist. Die Museumsleitung wünscht absolutes Stillschweigen über den Diebstahl in der Öffentlichkeit. Vermutet wird eine Tat moderner >Azteken-Aktivisten<, die das unbezahlbare Stück in die mexikanische >Heimat< zurückbringen wollen. Das ist eine schwierige Situation, gerade heutzutage, da der Kolonialismus und die fragwürdige Provenienz vieler Museumsobjekte aufgearbeitet werden sollen. Offiziell wurde verlautbart, dass die Federkrone zurzeit aufwendig restauriert wird und deshalb nicht für das Publikum zugänglich ist. Sehr geehrter Herr Winter, der Versicherungswert der Krone ist astronomisch hoch, deshalb ist meine Gesellschaft äußerst interessiert daran, das wertvolle Stück wiederzubeschaffen. Wenn Sie den Auftrag annehmen, was ich hoffe, erhalten Sie ein sehr gutes Honorar, die Erstattung aller Reisespesen sowie bei Erfolg eine hohe Schlussprämie. Eine erste Anzahlung befindet sich bereits in Ihrem Briefkasten. Der Auftrag ist streng geheim, also bitte kein Wort darüber zu Fremden! In Kürze erhalten Sie weitere Instruktionen. Mit freundlichen Grüßen, Fred Müller.«
Ich saß total verblüfft vor dem Laptop. Diese Sache erschien mir extrem unwahrscheinlich. Welcher Idiot hatte sich einen so blöden Scherz ausgedacht? Da aber keine Links zum Draufklicken beigefügt waren, konnte es sich kaum um eine Phishing-Mail handeln. Federkrone des Moctezuma? Mal gehört, aber hatte mich nicht wirklich interessiert, weil dieses einmalige Museumsstück nie in den Antiquitätenhandel gekommen wäre. Wie konnte so ein gut gesichertes Objekt gestohlen werden? Und warum war dieser Müller ausgerechnet auf mich gekommen? Da gab es doch viel fachkundigere Leute! Schon richtig, Jörn handelte auch mit Kunstwerken aus dem amerikanischen Raum, manchmal sogar mit Stücken aus der Inka-, Maya- oder Aztekenzeit, aber die waren naturgemäß äußerst selten oder stammten aus Raubgrabungen, was er grundsätzlich ablehnte.
Ich wusste keinen Rat und rief Jörn an.
»Hallo, meine geliebte Ponystute, willst du doch noch mal gefickt werden?«, meldete er sich hoffnungsfroh.
Er nannte mich gerne »Ponystute«, weil mir immer ein paar kurze Fransen meiner braunen Haare in die Stirn fielen, aber er meinte es ironisch. Ich war 1,85 groß, sehr gut trainiert und zwar schlank, aber recht muskulös, also wirklich kein »Pony«. Außerdem war ich genauso gerne Top wie Bottom, nur dass Jörn mich nicht ließ.
»Keine Witze jetzt!«, entgegnete ich. »Hör dir mal an, was ich für eine Mail bekommen habe!« Ich las ihm den Text vor. Das »streng geheim« bezog sich doch wohl nur auf Unbekannte und bestimmt nicht auf Jörn, nahm ich einfach an. Wir waren schließlich ein Team.
Er schien auch ziemlich perplex zu sein, denn er schwieg erst mal.
»Und? Was rätst du mir?«, hakte ich nach.
»Unglaublich!«, murmelte er. »Unglaublich!«
»Ja, schon! Aber was soll ich nun machen?«
Ich hörte ihn durchatmen. »Den Auftrag annehmen!«
»Könnten wir das nicht gemeinsam machen? Du hast doch viel mehr Ahnung. Ich fühle mich dieser Sache nicht gewachsen.«
»Ich kann nicht vom Geschäft weg, wenn du schon nicht da bist. Susanne kann mich zwar mal kurz vertreten, wenn ich einen Termin habe. Aber sie kann nicht den ganzen Laden und die An- und Verkäufe über Tage und Wochen führen, dafür ist sie nicht ausgebildet. Und du bist doch für Ankäufe und Besichtigungen zuständig und fährst sowieso dauernd in der Gegend herum.«
»Dann lehne ich das ab.«
»Ich bin nicht begeistert, wenn du ewig nicht hier bist, das kannst du dir sicher denken, Natan. Wer weiß, wie lange diese Mission dauert. Aber ich denke auch an den Werbeeffekt für unseren Laden, wenn du die Krone findest. Ich nehme mal an, dass man das öffentlich machen kann, wenn das gute Stück wieder da ist.«
»Ich überlege es mir«, seufzte ich und legte auf.
Dann realisierte ich erst den Satz von Müller, dass »eine erste Anzahlung« sich bereits in meinem Briefkasten befinden sollte. Ich ging also noch einmal in den Hausflur hinunter. Und tatsächlich – im Postkasten lag ein dicker Brief. Er war nicht frankiert. Jemand musste ihn also direkt eingeworfen haben.
Wieder in meiner Wohnung, öffnete ich den Umschlag. Ein ganzer Packen Banknoten fiel mir entgegen, ohne Anschreiben, ohne irgendetwas.
Ich saß da und starrte auf das Geld. Ich verdiente ausreichend bei Jörn, aber eine solche Menge Bargeld, einfach so ins Haus geflattert, erschreckte mich fast. Kriminelle Machenschaften? Falschgeld? Ich prüfte die Scheine. Im Antiquitätenhandel wird oft bar bezahlt, damit kannte ich mich aus. Wasserzeichen, Relief-Elemente, Sicherheitsfaden, Silberstreifen, Hologramm, Portraitfenster, Smaragdzahl – alles sah echt aus.
Ich entschloss mich also, den Auftrag anzunehmen, und schrieb Müller eine entsprechende Mail.
An Schlafen war jedoch nicht zu denken. Obwohl ich mich eigentlich für einen ruhigen, bedachten Menschen hielt, quirlten mir die Gedanken wie ein Gebirgsbach durchs Hirn. Ich musste Jörn einfach noch mal anrufen.
»Komm her!«, sagte er zufrieden. »Ich treibe dir den Gebirgsbach aus!«
Also marschierte ich noch einmal – es war bereits nach 22 Uhr – zu Jörns Haus.
Er umarmte mich zärtlich und zog mich aus. Wie immer behielt ich nur die schmale, flache Kette aus Weißgold um, die meine Mutter mir zum sechzehnten Geburtstag geschenkt hatte, heimlich, um mir zu zeigen, dass sie mein Schwulsein akzeptiert hatte. Die Kette legte ich nie ab.
»Manchmal gibt es die verrücktesten Gründe, dass ich dich noch mal ficken darf«, meinte Jörn schmunzelnd und drückte mich rücklings aufs Bett.
Ich ließ mich in seine Fürsorglichkeit und Zuneigung hineinfallen wie in eine weiche Hängematte. Er beleckte meine Nippel fast andächtig, dann ließ er seine Zunge über meine Brust gleiten. Meine sparsam gewachsenen Brusthaare klebten nass auf meiner Haut. Jörns Lippen wanderten über meinen Nabel, über die Haarlunte hinab bis zu meinem Schwanz, der ihm schon freudig entgegenwuchs. Er nahm ihn sanft in den Mund und ließ seine Zunge um meine Eichel kreisen. Ich stöhnte wohlig.
Gel lag bei ihm immer unter den Kopfkissen bereit. Jörn ließ meinen Steifen – leider – aus seinem Mund rutschen und rieb seinen langen Ständer mit Gleitzeug ein. Ich hob meine Schenkel an und spreizte sie weit. Ja, das war gut, die einfache, bequeme Missionarsstellung, für diese Nacht genau richtig. Wie ich das brauchte, unkompliziert durchgefickt zu werden. Ich zog meine Arschbacken selbst etwas auseinander, damit mein Lover gleich in mein Innerstes hineinfahren konnte. Auch er sollte es bequem und einfach haben. Bloß nichts Kompliziertes in diesem Moment!
»Ja!«, seufzte er und drückte seine warme, rutschige Kuppe an mein Loch.
Ich spürte, wie sie mich aufspaltete und langsam in meinen Kanal glitt. Ich schloss die Augen, lag ganz still und ließ ihn machen. Jörns langes, hartes Teil schob sich tiefer, immer tiefer. Langsam begann er mit dem Ficken und steigerte sich ganz allmählich, bis ein Hammerfeuerwerk in meinem Arsch zündete. Ich wichste mich dabei, auch ganz einfach und unkompliziert. Als Jörn stöhnend explodierte und mich mit seiner Sahne vollspritzte, kam ich auch und ließ den Saft über meine Brust schießen.
Jörn legte sich über mich und küsste mich liebevoll. »Bleib heute Nacht hier!«, bat er leise. »Wer weiß, wann du wieder in Berlin bist. Ich graule mich jetzt schon vor der Zeit ohne dich!«
Ich umfasste ihn, strich über seinen Rücken – und muss wohl plötzlich eingeschlafen sein. Erst am nächsten Morgen wurde ich wach und spürte, wie Jörn mich im Schlaf fest umklammert hielt.
2. Tadeo
Ein Mensch mit einem Deckel auf der Brust, den man öffnen kann. Innen sind andere, kleinere Menschen, reich geschmückte Herrscher, Krieger, Händler, Männer aus dem Volk. Den Deckel öffnen, die kleinen Menschen aus der Brust herausholen, anschauen, wieder verstecken, den Deckel schließen, den Menschen mit dem Brustdeckel ins Regal stellen. Nicht darüber sprechen. Niemand kennt sein Inneres.
Ich schneide die weiche Tonfigur mit einem Faden von der Arbeitsplatte und trage sie vorsichtig zum Regal. Den Deckel und die kleinen Figuren lege ich daneben zum Trocknen. Der steife Kolben der Hauptfigur ist vielleicht ein bisschen groß geraten. Ich habe mich beim Formen nach meinem eigenen Schwanz gerichtet.
Mein Blick fällt auf meine fertigen Kunstwerke, die in einem anderen Regal stehen. Knallbunt bemalt und mit glänzender Glasur überzogen stehen sie da, warten, leisten mir Gesellschaft und sind doch stumm. Zu wenige Verkäufe! Zu unbekannt! Noch nie eine Ausstellung gehabt! Nicht mal eine Erwähnung in der Presse! Verdammt! Alles zerschlagen!
Oder nicht?
Ich schaue wieder auf die Figuren mit den Brustdeckeln, mein wichtigstes Motiv. Die Einwohner der mysteriösen Stadt Teotihuacan haben sie erfunden. Damals ohne steife Schwänze, die sind eine Zutat von mir, jedenfalls bei einigen meiner Werke. Teotihuacan! Größte Stadt Amerikas, lange, bevor meine Vorfahren, die Azteken – oder, wie sie sich selbst nannten, die Mexika – in das Tal von Mexiko einwanderten. Von ihnen stammt dieser Name: Teotihuacan bedeutet »Wo man zu einem Gott wird«.
Mutter! Amelia Maria Castro! Schöne Aztekin! Itzpapalotl, Feuergöttin! Zusammen mit Vater bist du im Feuer umgekommen. Aber nun bist du eine Göttin und trägst Schmetterlingsflügel an den Schultern, umsäumt mit scharfen Obsidianmessern.
Vor sechs Jahren war das, ich war dreiundzwanzig. Allein, allein, allein. Nur eine hohle Figur, die in ihrer Brust Erinnerungen und verlorene Menschen einschließt. Deckel zu! Alles geheim! Nichts sagen, nicht klagen, nur arbeiten! Wofür?
Für Sex! Das Einzige, wofür sich das Leben lohnt. Immer einen Schuss Sperma in den Ton geben vor dem Einsetzen in den Brennofen. So kommt Leben in meine Werke!
Ich sitze in meiner winzigen, schäbigen, billigen Wohnung in Berlin-Kreuzberg, wichse und denke, denke und wichse. Mache Kunst, lerne alles über Keramiken, über Azteken, über ihre Götter, denke und wichse. Bin »Autodidakt«, wie meine liebreizenden »Kollegen« mich geringschätzig nennen. Eigentlich sind sie nicht Kollegen, sondern Feinde. Camaxtli, der Kriegsgott, bestimmt ihre Reden. Auch Gott der Jagd, des Schicksals und des Feuers. Wieder Feuer. Nanauatzin, Wolkenschlange! Du hast dich selbst im Feuer geopfert, damit die Sonne weiter scheinen konnte. Und du wurdest zum Sonnengott Tonatiuh, dem unzählige Menschen geopfert wurden.
Kopf freimachen! Wahnsinn verhindern!
Wie nennen die »Kollegen« mich noch? Nicht nur »Autodidakt«, sondern auch »Kunstgewerbler«! Kunstgewerbe statt Kunst! Die schlimmste Beschimpfung, die ein Künstler ertragen muss! Ja, ich mache keine überdimensionalen Rattenschwänze als Kunst und stelle auch keine leeren Rahmen aus, die die Betrachter selbst ausmalen sollen. Solche Art moderner Kunst finde ich bescheuert. Sorry!
Und wie nennen mich die schwulen Kerle? »Halbmexikaner«! Das klingt wie »halbe Portion« oder »halbherzig«. Aber ich bin nicht halb, ich bin ganz. Auch mein Herz ist ganz und heiß. 1,85 groß, gut trainiert, gute Muskeln. Das leiste ich mir wenigstens, ein Billig-Sportstudio. Und sonst? Schwarzbraune Haare, dicht und nicht zu kurz, dunkelbraune Augen, gutes Gesicht. Eigenlob? Wenn mich sonst niemand lobt …
Weg jetzt! Weg mit den Gedanken! Alle in den Brustraum einsperren, Klappe zu, Luft schöpfen!
Erst Hände waschen, den klebrigen Ton von den Fingern kratzen.
Alltag tanken, hilft gegen Wahnsinn. Was hat sich auf dem Handy getan?
Lauter unsinnige Mails, wie immer. Ich soll einen Kredit aufnehmen, Essen liefern lassen, Bücher kaufen, eine Ferienwohnung auf Hawaii buchen und Viagra bestellen. Ha! Wenn ich etwas nicht brauche, dann sind es die blauen Pillen. Mein Schwanz steht fast unaufhörlich, von ganz allein. Und für das andere habe ich kein Geld. Ferienwohnung auf Hawaii? Ich bin im ganzen Leben noch nicht aus Deutschland rausgekommen. Kein Geld! Einmal nach Mexiko reisen, in die Heimat meiner Mutter …
Was ist das? Eine Mail mit dem mexikanischen Wappen! Welcher Aztekengott hat mir die geschickt?
»Sehr geehrter Herr Castro! Heute wende ich mich an Sie in einer äußerst delikaten Angelegenheit. Ich bin Geschäftsführer einer großen Versicherungsgesellschaft und suche einen zuverlässigen, fachkundigen Menschen zur Unterstützung. Sie wurden mir als kompetenter Kenner der aztekischen Kunst und Geschichte empfohlen. Außerdem habe ich erfahren, dass Sie Englisch, Französisch, Spanisch und auch Nahuatl sprechen. Es geht um die diskrete Aufklärung eines Diebstahls aus einem Museum und um die möglichst wenig Aufsehen erregende Wiederbeschaffung des betreffenden Artefakts. Es handelt sich um das Original der berühmten, aztekischen »Federkrone des Moctezuma«, die sich bis dato im Weltmuseum Wien befand. Sicherlich ist Ihnen bekannt, dass diese Krone weltweit das einzige erhaltene Exemplar eines solchen Kopfschmuckes ist. Die Museumsleitung wünscht absolutes Stillschweigen über den Diebstahl in der Öffentlichkeit. Vermutet wird eine Tat moderner >Azteken-Aktivisten<, die das unbezahlbare Stück in die mexikanische >Heimat< zurückbringen wollen. Das ist eine schwierige Situation, gerade heutzutage, da der Kolonialismus und die fragwürdige Provenienz vieler Museumsobjekte aufgearbeitet werden sollen. Offiziell wurde verlautbart, dass die Federkrone zurzeit aufwendig restauriert wird und deshalb nicht für das Publikum zugänglich ist. Sehr geehrter Herr Castro, der Versicherungswert der Krone ist astronomisch hoch, deshalb ist meine Gesellschaft äußerst interessiert daran, das wertvolle Stück wiederzubeschaffen. Wenn Sie den Auftrag annehmen, was ich hoffe, erhalten Sie ein sehr gutes Honorar, die Erstattung aller Reisespesen sowie bei Erfolg eine hohe Schlussprämie. Eine erste Anzahlung befindet sich bereits in Ihrem Briefkasten. Der Auftrag ist streng geheim, also bitte kein Wort darüber zu Fremden! In Kürze erhalten Sie weitere Instruktionen. Mit freundlichen Grüßen, Fred Müller.«
Ist das jetzt doch der Wahnsinn? Die Realität kann es nicht sein. Wer ist Fred Müller? Federkrone des Moctezuma? Alles Blödsinn! Natürlich kenne ich diesen fantastischen Kopfschmuck aus dem frühen 16. Jahrhundert, aufgefächert 175 Zentimeter breit, 116 Zentimeter hoch, bestehend aus Hunderten von goldgrün schillernden Schwanzfedern des Vogels Quetzal, kleineren Federn von blauen Cotingas, Rosalöfflern und rotbraunen Fuchskuckucken sowie unzähligen Goldplättchen. Doch sie hat sicher nicht dem neunten Herrscher der Azteken, Moctezuma II. – oder besser Motēcuhzōma Xōcoyōtzin – gehört, sondern wahrscheinlich irgendeinem Priester. Und die soll gestohlen sein? Unwahrscheinlich!
Was schreibt der Typ? »Eine erste Anzahlung befindet sich bereits in Ihrem Briefkasten.« Spielgeld? Theatergeld? Haha!
Okay, ich sehe mal nach. Bringt Abwechslung!
Bin vom Briefkasten zurück. Geld! Tatsächlich Geld, eine Riesenmenge! So viele Scheine auf einmal habe ich noch nie gesehen. Ich steche mir mit einer Gabel in den Oberarm. Traum? Wirklichkeit!
Ich zähle, sortiere, ordne, bündele. Was scheibt dieser Müller? »… sehr gutes Honorar, die Erstattung aller Reisespesen sowie bei Erfolg eine hohe Schlussprämie.« Dafür tue ich alles. Käuflich? Ja, sind wir doch alle. Für so viel Geld klettere ich auf den Eiffelturm oder springe von der Tower Bridge in die Themse.
Wie soll ich die Aufgabe lösen? Keine Ahnung! Ich verlasse mich auf Inspiration. Ach so, er will mir Instruktionen schicken. Schnell antworten, dass ich den Auftrag annehme. Damit er bloß niemand anderen engagiert!
Raus! Ich muss raus an die frische Abendluft. Ich halte es in meinem stickigen, sogenannten Atelier nicht mehr aus. Ich muss laufen, rennen, fliegen, unter Menschen kommen.
Nun stehe ich in meiner schwulen Kreuzberger Stammkneipe und trinke ein Bier. Schön kühl! Da kommt man runter. Der weiche Schaum klebt an meinen Lippen. Wie kalt gewordenes Sperma.
Eher Klub als Kneipe, und sehr klein. Ziemlich schäbig, aber billig. Jedenfalls dürfen nur Erwachsene rein. Wie war das, als ich noch nicht achtzehn war? Meine liebe Mutter Amelia, die mir unter anderem Nahuatl beigebracht hat, damals und heute die Sprache der Azteken. Zuerst war sie Kellnerin im Restaurant meines Vaters, dann seine Geliebte und Restaurantchefin. Sie war immer aufgeschlossen, ließ mich im Hinterzimmer unseres Restaurants mit meinen frühen Lovern allein. Übrigens das Hinterzimmer, in dem ich geboren bin. Eine sogenannte überstürzte Geburt, meine Mutter schaffte es nicht mehr in die Klinik. Dann also der private Raum für meine ersten Sex-Erkundungen. Heiß! Und mein Vater Kurt, Gründer und Besitzer des Restaurants in Kreuzberg, zwanzig Jahre älter als Mama, nahm es hin. Ein glückliches Paar, eine glückliche Nicht-Ehe, mit einem unehelichen, glücklichen Sohn namens Tadeo, mit mir. Bis zu dem Feuer, das das Restaurant und meine Eltern vernichtete. Es tut immer noch weh.
»Hallo, Halbmexikaner!«, sagt jemand neben mir. Einer dieser Idioten, die ich nicht ausstehen kann, die ich aber zum Ficken brauche. Name vergessen, zum Glück.
»Hallo!«, brumme ich. Er hat ein dickes Schwanzpaket. Reicht das? Vielleicht.
»Wieder knapp bei Kasse?«
Verdammt, ja, ich habe mir öfter Geld von den Idioten geliehen.
»Nein. Heute zahle ich euch alle meine Schulden zurück.« Ich ziehe ein paar Scheine aus der Tasche und verteile sie unters Volk.
»Wow! Tadeo hat mal Geld!« – »Bank ausgeraubt?« – »Als Stricher gearbeitet?« – »Nee, dazu ist er zu alt!« – »Als Tröster für ältere Damen?«
»Nein!«, rufe ich schnell dazwischen. »Dazu bin ich zu schwul!«
Sie lachen, die Idioten, diesmal freundschaftlich. Plötzlich bin ich nicht mehr »der Halbmexikaner«, sondern »Tadeo«. Triumph!
»Wolltest du nicht schon immer meinen Bolzen im Arsch haben, Tadeo?«, fragt ein kräftiger, rothaariger Typ etwa in meinem Alter. Ach ja, er heißt Hauke. Glaube ich.
Ehe ich antworten kann, mischt sich Steven ein, ein blonder Mann, etwas jünger als Hauke. »Ich will aber zuerst von Tadeo gefickt werden. Wollte ich schon immer.«
Was für ein Erlebnis – sie reißen sich um mich!
»Wir können beides zugleich machen«, schlage ich vor. Sie grinsen breit. Der Barkeeper hinter dem Tresen grinst auch. Die anderen Kerle im Club, vielleicht sieben oder acht, stehen um uns herum. Grinsen ebenfalls. Vielleicht ist das hier doch so eine Art Familie. Vielleicht war ich immer zu kritisch, und die Männer sind gar keine Idioten, sondern einfach Menschen. Egal jetzt! Ich gehe in Richtung Darkroom. Den haben sie hier, obwohl es ein so kleiner Club ist. Aber ohne Darkroom läuft ja nichts. Er liegt im Keller. Hauke und Steven folgen mir. Mein Schwanz fängt schon auf der Treppe an zu klopfen. Endlich kompletter Sex! Nicht immer nur Wichsen!
Der winzige Darkroom ist leer. Ist noch zu früh für die meisten. Für mich nicht. Eine beinahe unsichtbare Notbeleuchtung brennt irgendwo. Ich sehe fast nichts, greife zu, packe die Schwanzpakete der beiden Kerle, zerre ihnen die Hosenverschlüsse auf. Steven zieht Hose und Unterhose runter. Ich fühle seine nackten, glatten Arschbacken. Wo ist mein Gel? In der Jeanstasche. Nein, ist rausgefallen, weil Hauke mir die Hose schon runtergerissen hat. Mehr ziehen wir nicht aus. Keine Zeit. Zu geil! Hauke hebt die Geltube auf und schmiert seinen Bolzen ein, gibt mir dann das Zeug. Ich streiche Gel auf meinen gierig zitternden Ständer, reichlich. Genau in diesem Moment denke ich den Satz: >Ich muss jetzt ja nicht mehr sparen!<