Magische Momente
Erzählungen Liebevoll-ironische, erotisch grundierte Geschichten von Männern und Jungs, die durch ein wahrhaft magisches Ereignis aus ihrer Alltagswelt gerissen werden. Es geht um Erfüllung geheimer Wünsche, um Glück oder auch "nur" ums Überleben. Aber können die "Helden" ihre unglaubliche Chance nutzen? Taschenbuch Männerschwarm Verlag |
Leseprobe aus
Tilman Janus: Magische Momente
Copyright Männerschwarm Verlag, Hamburg 2005
Schnupperangebot
Süden, schöner, sonniger Süden! Martinique wie Martini, Hawaii wie Ananas – und München wie Dominik! Verfluchter Kerl du, ich bring dich um!
Horst klappte seinen Regenschirm zusammen, schüttelte wütend das Wasser ab und stieß die Tür des kleinen Reisebüros so heftig auf, dass die Glasscheibe klirrte. Der Inhaber hob missbilligend die Augenbrauen.
»Ein Flugticket nach München!«, knurrte Horst, als wäre der Mann hinter dem Ladentisch schuld daran, dass er eine Riesendummheit begehen und Dominik nach München folgen wollte.
»Wir führen schon lange keine Tickets für Linienflüge mehr, mein Herr«, gab der Reisebüroinhaber reserviert zurück. »Da müssen Sie sich bitte direkt an eine der Fluggesellschaften wenden. Sie können auch über Ihren Internetanschluss buchen.«
Schlecht gelaunt starrte Horst ihn an, und im selben Moment wusste er, warum er auf diesen Menschen solch eine Wut hatte: Nicht, weil er gar keinen Internetanschluss besaß, sondern weil der Mann aussah wie Dominik. Nein, er sah natürlich nicht aus wie Dominik. Er hatte nur seine Haarfarbe, dieses glänzende, goldene Braun, diesen leuchtenden, wundervoll warm wirkenden Ton, der an das Fell junger Haselmäuse erinnerte oder an starke Baumstämme im Sonnenlicht oder – na ja, das war’s auch schon. Dominik war schön und jung, schlank und süß, während dieser Reiseverkäufer bestimmt über fünfzig und durchaus nicht schlank und noch nicht einmal schön war, geschweige denn süß.
Was man in einem Laden mit so teuren Produkten doch wohl verlangen kann! Eigentlich sieht er genauso alt und mies aus wie ich – na gut, seine Haare sind noch nicht grau, aber dafür wahrscheinlich gefärbt.
»Ich kann Ihnen leider nicht helfen!«, fuhr der Reisekaufmann fort, vermutlich, um den Kunden mit dem mürrischen Gesichtsausdruck endlich loszuwerden. Da fiel Horsts Blick auf die Ecke eines Reisekatalogs, der unter vielen anderen fast versteckt lag, und auf dieser Ecke erkannte er ein kleines Regenbogenzeichen.
Warum bin ich so dusslig und will diesem Dieb auch noch nachreisen? Soll er glücklich werden mit meinem Geld! Soll er sich den schönen Schwanz damit vergolden lassen!
»Darf ich bitte diesen Prospekt sehen?«, fragte Horst in freundlicherem Ton und nahm ungebeten auf einem der Kundenstühle Platz.
Der mollige Braungoldene musterte Horst noch einmal kurz und zog den Katalog unter dem Stapel vor.
Reisen für ganze Männer, las Horst, Tipps und Adressen für den gelungenen Urlaub von hinten.
Er warf den Prospekt wieder auf den Ladentisch.
»Danke!«, murmelte er.
Der ewige Müll! Lauter Dominiks! Danke für Backobst! Geld wollen sie haben, dann machen sie alles! Wer will schon einen vierundfünfzigjährigen Verwaltungsangestellten umsonst beglücken? Welcher potente Kerl steckt aus Liebe seinen göttlichen Ständer in einen welken Bürohintern? Ein durchtrainierter Seniorchef mit dicker Brieftasche, der aktiv auf Jungs steht – ja, das wird gerade noch akzeptiert. Das hat altgriechische Dimensionen. Aber ein vermögensloser Durchschnittsmensch wie ich, der sich so gerne von einem hübschen Zwanzigjährigen verwöhnen lassen möchte, und dann noch aus reiner Zuneigung – unmöglich! Lächerlich!
»Suchen Sie etwas Bestimmtes?«, fragte der Reiseverkäufer – elender Männerverkäufer! »Vielleicht kann ich Ihnen doch helfen.«
Horst sah ihm kurz in die Augen, blickte dann zum Schaufenster, in den Regen hinaus. »Nein, danke!«
»Sie suchen keine gewöhnliche Reise!« Der Haselmaushaarige ließ sich nicht beirren; seine Stimme hatte plötzlich etwas Hypnotisches. »Sie suchen ganz sicher etwas Besonderes!«
»Ja!«, antwortete Horst mit verlegener Heiserkeit.
Teufel auch, warum bin ich überhaupt noch hier? Was geht ihn das an? Was will er mir verkaufen?
Der Mann stand auf und nahm einen mit Reiseplakaten beklebten Wandschirm etwas beiseite. Dahinter gab es einen schmalen Durchgang.
»Kommen Sie mit!«, forderte er Horst auf.
Zögernd folgte Horst ihm in den hinteren Ladenbereich.
Jetzt will der dicke Kerl mich doch nicht etwa vernaschen?
»Wählen Sie!«, sagte der und wies mit stolzer Genugtuung auf einen langen Flur mit zahlreichen Türen. Nie hätte Horst gedacht, dass sich hinter dem winzigen Laden noch derart viele Räume verbergen könnten. Staunend las er die Schilder, die in schnörkeliger Schrift Auskunft gaben, was sich hinter jeder Tür verbergen sollte: »Gletscherexkursionen« stand da zum Beispiel, »Bergtouren«, »Rafting« oder »Dschungelexpeditionen«, andere versprachen »Wattwanderungen«, »Kreuzfahrten«, »Safaris«, »Segeltörns« und »Angelurlaub«. Selbstverständlich fehlten auch nicht die Aufschriften »Faules Strandleben«, »Shoppingtrips«, »Gourmetstreifzüge«, »Bildungsreisen« und »Sextourismus«.
Verblüfft sah sich Horst nach dem Mann um, der jedoch war unbemerkt verschwunden – vielleicht war ein anderer Kunde in den Laden gekommen. Horst musste zugeben, dass er ziemlich neugierig geworden war, wenn er auch nicht viel mehr hinter den Türen vermutete als eine kleine Diaschau zum jeweiligen Thema. Vorsichtig öffnete er den Eingang mit dem Schild »Südsee« und steckte den Kopf in den Raum dahinter. Unversehens ergriff ihn eine heftige Windbö, und ehe er noch einen Gedanken fassen konnte, flog er in rasantem Tempo durch einen engen, schwarzen Korridor und landete im weißen Sand eines palmengesäumten Strandes.
Heiß schien die Sonne herab, ein blaues Bilderbuchmeer lockte rauschend zum Bade, die Wedel der Kokospalmen bewegten sich leicht im Seewind. Weiter hinten war ein idyllisches Dorf zu sehen mit Hütten aus Bambus, beschattet von Bananenstauden, Mango- und Papayabäumen. Vorzeitliche, aus Rohr geflochtene Auslegerboote lagen zum Trocknen auf niedrigen Gestellen.
Horst rieb sich verstört die Augen, doch bevor ihm klar wurde, ob er wachte oder träumte, strömte eine bunte Menschenschar aus dem Bambus-Dorf und lief lachend und schwatzend auf ihn zu. Die Frauen trugen hübsch gemusterte Sarongs, die bloßen Brüste waren von Blumenkränzen kaum verdeckt. Hibiskusblüten schmückten ihr langes, schwarzes Haar. Die Männer waren am gesamten Körper in den abenteuerlichsten Mustern tätowiert und hatten nur knappe, weiße Lendentücher um ihre Blößen geschlungen.
Horst stand auf. In seinen korrekten, dunklen Bundfaltenhosen, dem Jackett mit Krawatte und seinen polierten Halbschuhen kam er sich angesichts der fröhlich-farbigen, barfüßigen Dorfbewohner ziemlich deplatziert vor.
»Aloha!«, begrüßte ein wohlbeleibter, älterer Mann ihn freundlich. »Willkommen auf Amor-Amor! Ich bin Dodo, der Dorfälteste. Du bist herzlich eingeladen, bei uns zu verweilen.«
»Ich?« Verwirrung war ein bei weitem zu schwacher Ausdruck für Horsts Zustand, dennoch erinnerte er sich wenigstens an die grundsätzlichsten Höflichkeitsregeln. »Vielen Dank für eure Einladung; mein Name ist Horst, Horst Le-«
»Der Nachname ist nicht wichtig. Wen möchtest du zur Gesellschaft haben, Horst?«
»Ich ... ich kenne doch niemanden hier ...«
»Du kannst zwischen einer Frau und einem Mann wählen«, erklärte der Dorfälteste. Die jungen Mädchen in der Gruppe kicherten hinter vorgehaltenen Händen.
Ein Leuchten ging über Horsts Gesicht. »Dann – dann würde ich einen Mann bevorzugen! – Die Damen,« fügte er rasch und so galant wie möglich hinzu, »sind natürlich auch alle sehr hübsch, aber wenn ich wählen darf ...«
Dodo nickte lächelnd. »Das ist ganz in Ordnung, unsere Gäste sollen sich vor allem wohl fühlen.«
Die heiteren Menschen umringten nun Horst und zogen ihn zum Dorf hin, und noch ehe sie die ersten Bambushütten erreicht hatten, ging ein Jüngling neben ihm, der Horst den Atem und allen Verstand raubte. Der junge Mann – wie die anderen vom Hals bis zu den Fußgelenken tätowiert – war etwas größer als Horst, sodass er das Gefühl hatte, zu ihm aufzuschauen wie zu einem Gott. Die Brust dieses Gottes war gleichsam aus Erz modelliert, die Schultern kräftig gerundet, unter der braunen, bemalten Haut der Arme spielten die Muskeln. Die schmalen Hüften gingen in traumhaft geformte Schenkel und Waden über, und als Horst für einen Moment zurückblieb, um seine Rückenansicht zu genießen, war er geblendet vom Anblick des perfekten Hinterns, der – bis auf den dünnen, gedrehten Stoffstrang zwischen den göttlichen Backen – in nackter, gemusterter Herrlichkeit prangte.
»Ich heiße Matahoata. Wenn du Wünsche hast, bin ich für dich da!«, stellte sich der Schöne vor und warf dabei sein langes, lockiges, schwarzes Haar über die Schultern. Horst glaubte, auf der Stelle ejakulieren zu müssen.
Mühsam riss er seinen Blick von der mächtigen Wölbung unter dem Lendentuch los und stotterte: »Da-danke, das – ist wirklich sehr nett – ich – ich weiß gar nicht, ob – ich das alles bezahlen kann – ich habe gar nicht – so viel Geld mit ...«
Gelächter erhob sich unter den Inselbewohnern.
»Du bist bei uns zu Gast«, betonte Dodo. »Du brauchst hier nichts zu bezahlen.«
»Oh!«, hauchte Horst, da stolperte er über einen Palmwedel und stürzte in den Sand. Zwei junge, kräftige Männer hoben ihn unter dem neuerlichen Kichern der jüngeren Frauen auf ihre Schultern und trugen ihn ins Dorf, und Matahoata lächelte ihn an und warf ihm Kusshände zu.
Auf dem Dorfplatz, im Schatten der Papayabäume, waren Bastmatten auf den Boden ausgebreitet. Exotische Früchte, fremdartige Gerichte und Kokosnuss-Schalen mit Palmwein standen einladend bereit. Matahoata bat Horst, neben ihm auf einer Matte Platz zu nehmen. Horst war sich bewusst, dass er noch niemals in seinem langen Leben neben einem solchen Traummann gesessen hatte. Der Wunsch in ihm wurde unbezähmbar, dieses Phantom zu berühren – aber wenn es sich dann als rein virtuell und körperlos entpuppen würde? Horst wurde es heiß vor Angst.
Ja, ich bin in einen Cyberspace gerutscht, anders kann es nicht sein!
Vorsichtig streckte er einen Finger aus und tippte Matahoata damit sacht an. Der Liebliche wandte sich sofort zu Horst, nahm lächelnd seine Hand und küsste sie. Horst spürte mit einem Beben tief im Bauch die warmen, ganz lebendigen Lippen. Als Matahoata ihn einfach in seine starken Arme schloss und ihm einen glühenden, alles andere als körperlosen Kuss auf den Mund drückte, stand er vollends in Flammen.
»Du hast wohl im Magen nicht so großen Hunger wie da unten?«, flüsterte Matahoata neckisch und ließ seine wohlgeformte, braune Hand über den Stoff der Bundfaltenhose gleiten. Horst war absolut sprachlos, konnte nur seufzen.
Ein bekränztes Mädchen kniete jetzt neben ihnen und reichte kleine, auf einem Bananenblatt angerichtete Leckereien. Matahoata nahm die winzigen Häppchen zwischen die Lippen und drückte sie mit der Zunge in Horsts Mund. Der empfing sie in seliger Vorfreude und kaute und schluckte, fühlte immer wieder die tropische Zunge und zerschmolz beinah vor Glück.
Die Dorfbewohner hatten einen leisen Gesang angestimmt. Irgendwo blies jemand volltönend auf großen Meeresschneckenhäusern. Langsam zog Matahoata seinem Schützling das viel zu warme Jackett aus, löste den Krawattenknoten, knöpfte das Hemd auf, und weil es so schwierig aus der Hose zu ziehen war, musste er auch den Gürtel und die übrigen Verschlüsse öffnen. Da er nun schon einmal dabei war, befreite er Horst auch gleich von Schuhen, Socken und Unterwäsche. Plötzlich lag Horst nackt und bleich und unförmig unter freiem Himmel auf der Bastmatte zwischen all den schönen Polynesiern, während ein tätowierter Gott ihn streichelte und küsste, als wäre Horst sein Liebstes auf der Welt. Und dann passierte das, wovor Horst sich die ganze Zeit gefürchtet hatte, was aber unter diesen Umständen einfach nicht zu verhindern war: Er spritzte jämmerlich übereilt auf seinen eigenen Bauch.
Schmerzerfüllt schloss er die Augen, doch er vernahm kein Hohngelächter. Nicht einmal einen Anflug von Spott stellte Horst fest, als er seinen Traumliebhaber wieder ansah. Stattdessen zog Matahoata das dünne Lendentuch von den Hüften und ließ seinen riesenhaften, schweren, schön gewachsenen Schwanz aufspringen, der zusehends anschwoll. Auch dieser Phallus war mit reizenden Tätowierungen verziert und wirkte wie ein magischer Zeremonialstab.
Horst stöhnte auf und wand sich hin und her. Er griff nach dem tahitischen Zauberstab, spürte die lebendige Härte erschauernd in den Händen. Und dann schob der bemalte Gott seine kleidsame Vorhaut zurück, nahm mit den Fingern das Sperma von Horsts Bauch, rieb seine schimmernd goldbraune Eichel damit sorgsam ein, hob Horsts Oberschenkel sanft an, setzte die Spitze des göttlichen Stabes auf den irdisch-gewöhnlichen Anus und zwängte ihn langsam, langsam in Horsts verzückt hingereichten Leib hinein. Er ließ ihn sacht zurückgleiten, vor und immer wieder zurück, lange, unerschöpflich, wurde endlich schneller, fuhr rasend hin und her und spritzte schließlich seinen Anbeter in starken, langen Schüben mit Samen voll.
Horst wusste nicht mehr, ob eine, zwei oder drei Stunden vergangen waren, in denen der polynesische Adonis ihn ohne Pause verwöhnt hatte, wusste nicht, wie oft dessen heiße Ergüsse ihn überschäumt hatten, mitten auf dem hellen Bastmattenplatz zwischen den singenden und tanzenden Männern und Mädchen des Dorfes. Die Erinnerung war selig verschwommen mit der gleißenden Sonne, dem Papayaschatten und dem Meeresrauschen, hatte sich vermischt mit dem Eindruck eines Schiffes, das unter vollen, weißen Segeln in ein korallenrosafarbenes Atoll eingefahren war, und war ganz und gar verloren gegangen in dem Moment, als ein Sturm sich vom Wasser her erhoben und ihn hinweggefegt hatte.
Schwer atmend saß Horst im engen Korridor des Reisebüros, nackt. Um ihn verstreut lagen seine Kleidungsstücke. Benommen schüttelte er den Kopf, erhob sich dann hastig, zerrte Unterhose und all die anderen so überflüssigen Textilien über seinen erhitzten Körper, knöpfte das Hemd verkehrt zu und steckte den Schlips nur nervös in die Jacketttasche. Seine Haut war noch feucht, und seine Eingeweide vermittelten ihm das Gefühl, nach Kochwäsche, Schleudergang und Heißmangel nun platt gebügelt fix und fertig in einem düsteren Schrank zu liegen.
Mit unsicheren Schritten tappte er nach vorne in den Laden.
Der Inhaber saß so wie vorher hinter seinem Tresen. Bei Horsts Eintritt hob er den Kopf und lächelte.
»Waren Sie zufrieden, mein Herr?«, fragte er freundlich.
»Ja! Oh ... ja!«, stammelte Horst. »Wie ... also ... ich meine –«
»Wenn es Ihnen gefallen hat, empfehlen Sie uns doch bitte weiter!«
»Ja ... ja, sicher – ja, ganz bestimmt!«, flüsterte Horst und versuchte dabei, weiter zum Ausgang zu gehen ohne allzu sehr zu schwanken.
»Auf Wiedersehen!«, sagte der Reisekaufmann, und indem Horst schon die Hand auf die Klinke der Ladentür legte, ergänzte er wie beiläufig: »Sie haben nicht zufällig eine Ihrer Kreditkarten dabei?«
»Ich ... ich besitze gar keine Kreditkarten ... ich habe nur ein gewöhnliches Konto bei der Postbank«, antwortete Horst eingeschüchtert. »Wieso fragen Sie?«
»Dann haben Sie sicher nichts dagegen, diese kleine Einzugsermächtigung hier zu unterschreiben.«
»Einzugsermächtigung?« Horst stand starr.
»Nur eine Formsache, damit Ihr nächster Urlaub bei uns ganz ungestört und problemlos ablaufen kann. – Der erste Besuch war selbstverständlich noch kostenlos – unser Schnupperangebot!« Er schob Horst ein Formular hin.
Langsam ging Horst zum Tresen zurück. Er sah den molligen Braunhaarigen noch einmal an, und es erschien ihm, als hätte der eine unglaubliche Ähnlichkeit mit Dodo, dem Dorfältesten. Horst unterschrieb.
Es regnete immer noch, während Horst die Straße entlanglief. Er hatte seinen Schirm im Reisebüro vergessen, doch es störte ihn nicht, dass Nässe und Kälte nach und nach durch seine Kleidung drangen.
Ich werde den Schirm das nächste Mal abholen – ja, das nächste Mal! Welche Tür nehme ich dann? Matahoata war ein Gedicht! Es würde sich lohnen, ihn noch einmal zu sehen! Aber hinter den anderen Türen gibt es bestimmt viele Gedichte! Eine Kreuzfahrt? Sich vom Stewart verwöhnen lassen? Ein Wüstenritt, mit einem hoch gewachsenen Tuareg auf dem Dromedar – und dann, in der Oase, ein übersprudelnder, milchiger Erfrischungstrunk? Oder eine Safari? Nachts unter dem Gipfel des Kilimandjaro, die Löwen brüllen draußen, und drinnen im Zelt ein junger, glänzend dunkelhäutiger Massai ...
Horst seufzte tief. Da merkte er, dass er längst an seinem Auto vorbeigegangen war. Er lächelte, kehrte um.
Ich habe vergessen zu fragen, wie viel sie eigentlich abbuchen wollen. Aber das werde ich schon erfahren. Ja, Geld wollen sie nur haben, dann machen sie wirklich alles!
Er blieb stehen, registrierte plötzlich, dass das Regenwasser ihm über Haar und Gesicht in den schief geknöpften Hemdkragen lief.
Ob es ihnen überhaupt auffallen würde, wenn man gar nicht mehr nach Hause ginge? Wenn man von einer Tür bloß zur anderen schlüpfte, ohne jemals wieder im Laden vorne aufzutauchen? Gesellschaftsinseln ... Dschungelexpeditionen ... Gourmetstreifzüge ... jahrelang ohne Pause ... ein ewiges Fest ... eine Fest-Buchung ...
Horst lachte laut auf, wischte sich das Gesicht trocken und stieg in seinen Wagen.
* * *