TILMAN JANUS
MÄNNER LIEBEN

Wilde Reiter

Drei Gay Fantasy Geschichten

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Jonas, ein junger Manager, gerät durch eine Zeitschleife in den Wilden Westen, der Student Felix wird in gefährliche Experimente hineingezogen, und Alexander sieht sich bei einem Ausflug plötzlich einem grausamen Burgherrn gegenüber. Einfach nur überleben genügt ihnen nicht, denn jeder von den drei jungen Männer begegnet in der Parallelwelt dem Mann, für den es sich zu kämpfen lohnt – seiner großen Liebe …

 Drei spannende schwule Geschichten voller Fantasie, Romantik und Erotik.

Inhalt :
Wilde Reiter
Das Männer-Experiment
Leonhard   

Leseprobe aus:

Tilman Janus: Wilde Reiter

Copyright Tilman Janus, Berlin 2014

Wilde Reiter 

Weil ich meinen Aktenkoffer nicht zubekam, weil ich meine Hose mit Kaffee bekleckert hatte und mich deshalb noch einmal umziehen musste, weil ich vergessen hatte, das Schlafzimmerfenster zu schließen und darum wieder hinauf in meine Wohnung rannte, weil mein Auto in der Werkstatt war, weil das Taxi in einen Stau geriet und ich das letzte Stück zum Bahnhof deswegen zu Fuß ging, aus all diesen Gründen versäumte ich meinen Zug. Der ICE nach München hatte gerade die gläserne Bahnhofshalle verlassen. Ich sah das silberweiße, schnittige Heck noch kurz im Morgenlicht glänzen.

Eigentlich war es ein angenehmer Morgen. Weiße Schäfchenwolken standen vereinzelt am klaren, blauen Himmel. Milde Juniluft wehte mir frisch ins Gesicht und trocknete die Schweißtropfen auf meiner Stirn. Doch ich war nicht in der Stimmung, auf Naturschönheiten zu achten. Niedergeschlagen ließ ich mich auf eine Bank fallen. Sicher, der direkte ICE verkehrte etwa alle zwei Stunden. Ich hätte den nächsten nehmen können. Aber meinen Termin hätte ich dann nicht mehr geschafft.

Ich stand unmittelbar vor einem großen Schritt in meiner Karriere. Dafür, dass ich erst sechsundzwanzig Jahre alt war, hatte ich es schon recht weit gebracht. Bereits als Schüler hatte ich geplant, Manager zu werden, einer der ganz großen. Geld wollte ich scheffeln, Ruhm und Anerkennung gewinnen. Mein Wirtschaftsstudium hatte ich in Windeseile durchlaufen, selbstverständlich in allen Fächern mit »sehr gut« abgeschnitten. Auch vom Äußeren her war durchaus Staat mit mir zu machen. Mit einem Meter fünfundachtzig Größe, einem durchtrainierten Body und einem hübschen Gesicht kam ich überall gut an. Mein mittelblondes Haar trug ich kurz geschnitten, und meine grauen Augen sandten den bestimmenden Blick aus, den man für eine solche Laufbahn braucht. In Berlin hatte ich meinen ersten Job bekommen und mich ganz passabel weiterentwickelt, und nun wollte ich unaufhaltsam auf der Karriereleiter nach oben steigen. Die Firma in München, bei der ich an diesem Tag zum Assessment-Center, einem Bewerbertest, eingeladen war, bot mir die Voraussetzungen dafür. Und nun war alles aus. Zu spät zu einem Bewerbungstermin zu kommen … das ist so, wie zu spät auf dem Bahnhof zu sein. Der Zug wartet nicht, er fährt ab, es gibt genug Leute, die darin sitzen, niemand interessiert sich für die Trödler.

Mein scharfer Verstand arbeitete jedoch bereits an einer Lösung. Ich würde einfach fliegen! Ich musste nur meine schreckliche Flugangst überwinden. Bedauerlicherweise hatte ich es versäumt, einen Therapiekurs zu absolvieren. Ein Manager mit Flugangst – lächerlich! Mit Grausen dachte ich an meinen ersten und einzigen Flug. Mein Magen hatte sich mindestens fünfmal umgedreht, kalter Schweiß war mir ausgebrochen. Zum Schluss hatte mein Kreislauf fast versagt, und ich kam nach der Landung auf die Intensivstation eines Krankenhauses. Damals war ich achtzehn. Die einzige angenehme Erinnerung war ein junger, sehr hübscher Flugbegleiter, der sich rührend um mich gekümmert hatte. Danach, als die Flugangst vorbei war, wurde ich liebeskrank, und es dauerte viele Wochen, bis ich den attraktiven Kerl halbwegs vergessen hatte.

Also kein Flug!

Ich sprang auf und studierte den Fahrplanaushang. Schließlich fuhren eine Unmenge von Zügen in alle Himmelsrichtungen, es musste ja nicht unbedingt ein direkter ICE sein. Ich konsultierte die Bahn-App meines Smartphones, berechnete Fahrzeiten und Umsteigemanöver. Endlich griff ich nach meinem Aktenköfferchen und rannte die Rolltreppen hinunter und wieder hinauf bis zu einem bestimmten Bahnsteig. Und diesmal hatte ich Glück, denn gerade fuhr der Zug nach Fulda ein. Ich würde dort und in Nürnberg umsteigen, und wenn ich in München einen draufgängerischen Taxifahrer erwischte, konnte ich es noch schaffen! 

Erleichtert ließ ich mich in einen Sitz fallen. Das Geräusch der rollenden Räder tönte wie Musik in meinen Ohren. Mein Herz schlug wieder regelmäßig. Ich schloss die Augen, um mich ganz zu entspannen.

Das Umsteigen in Fulda und Nürnberg verlief planmäßig. Der Bahngott hatte gute Laune und ließ die Züge fast pünktlich sein. Hinter Nürnberg konnte ich mich sogar in Ruhe mit meinen Unterlagen beschäftigen. Ich ging noch einmal alles genau durch, was die Firma in München betraf. Zum Glück besaß ich ein sehr gut funktionierendes Gedächtnis. Ich war also wirklich guter Dinge, als das Ereignis über mich hereinbrach, das mein Leben vollkommen umkrempeln sollte.

Der Zug blieb plötzlich auf offener Strecke stehen. Beunruhigt schaute ich hinaus. Wir steckten irgendwo im Nirgendwo zwischen Franken und Bayern. Die grüne, bergige Landschaft wirkte unglaublich idyllisch, was mich jedoch wenig tröstete.

»Wissen Sie, wo wir hier sind?«, erkundigte ich mich bei meinem Sitznachbarn, einem waschechten Bayern, wie ich an der Krachledernen und den Hirschhornknöpfen am prallen Hosenlatz erkennen konnte.

»Sie, dös is des Altmühltal!«, gab er in stolzem Tonfall zurück.

»Aha, danke!«, sagte ich und schaute auf die Uhr. Es war gegen eins. Altmühltal … hatte ich mal gehört, Radwanderwege, hohe Felsen. Allerdings hatte ich nie Zeit gehabt, mich um Natur zu kümmern. Ich verlor das Interesse an der Gegend, holte mein Sandwich aus dem Köfferchen und biss hinein. Ich hoffte nur, der Aufenthalt würde nicht zu lang werden.

Da erscholl eine Durchsage aus den Waggonlautsprechern. Zuerst hörte ich nicht so richtig zu, doch dann durchfuhr mich das Entsetzen: Mit dem Antrieb sollte etwas nicht in Ordnung sein, tausend Entschuldigungen, leider, leider wäre der ICE nicht mehr fahrbereit, leider, leider müssten wir auf einen Ersatzzug warten …

Ich glaubte, in ein tiefes Loch zu sinken. Das durfte und konnte doch nicht wahr sein! Meine ganze Zukunft stand auf dem Spiel! Und hier, in diesem gottverlassenen, dämlichen Tal sollte sich mein Schicksal entscheiden?

Die Türen öffneten sich. Wieder eine Durchsage: In der Nähe sei ein kleines Landgasthaus, bitte dort erfrischen, die Sache mit dem Ersatzzug könne noch eine Weile dauern … zwei Stunden …

Verzweifelt kramte ich mein Smartphone aus der Tasche meines Jacketts. Ich musste nun also in der vornehmen Firma anrufen, mich entschuldigen, sagen, dass ich mit dem Zug liegen geblieben sei … zugeben, dass ich zu blöd war, um zu fliegen … zu dusslig, um pünktlich irgendwo zu sein … oder zu verlogen, um die Wahrheit zu sagen, dass ich einfach zu spät losgegangen war …

Dieser Anruf, so freundlich die Assistentin am anderen Ende auch war, gehörte nicht zu den guten Momenten in meinem Leben. Mir wurde heiß wie in einem Ofen. Die Mittagssonne stach inzwischen vom blauen Junihimmel auf die Metalldächer der Waggons, die Klimaanlage war natürlich ausgefallen. Ich schaltete das Smartphone ganz aus, was ich sonst nie tat, und warf es in meinen Aktenkoffer. Bloß keine Anrufe jetzt! Ich lockerte meine Krawatte, nahm mein Köfferchen und kletterte aus dem Zug.

Längs der Waggonschlange standen zahlreiche Reisende im grünen Gras des Bahndamms. Leidensgenossen. Bestimmt litt niemand so sehr wie ich! Der  warme Sommerwind schmeichelte über mein Gesicht. Okay, wenn ich schon warten musste, wollte ich die Zeit wenigsten nutzen und ins Grüne pinkeln. Zugtoiletten sind ja immer zum Grausen. Auf das Landgasthaus hatte ich keine Lust. Ich ging also langsam durch das Gras auf ein Gebüsch zu, das mich ausreichend vor den Blicken der Mitreisenden schützte. Im Schatten der hohen Sträucher öffnete ich meinen Hosenstall. Mein Schwanz drängte sich schon aus dem Slip. Der arme Kerl wurde meistens total vernachlässigt. Arbeit, Arbeit, Arbeit hieß mein Motto. Für Vergnügen blieb wenig Zeit. Außerdem konnte ich mir nicht vorstellen, dass es einen Mann auf der Erde geben würde, den ich wirklich lieben könnte, und der mich lieben würde, mich, einen Jungmanager, der mit seiner Arbeit verheiratet war. Und für schnellen Sex mit Fremden hatte ich auch selten Zeit. Ich betrachtete ihn nur als Notbehelf, als Ventil, wenn mich mein Ständer zu sehr beim Denken behinderte.

Es gelang mir, meinen Intimfreund zum Pinkeln zu überreden. Der kräftige Goldstrahl rauschte ins Gebüsch. Die Entspannung war angenehm. Ich hatte auf einmal Lust zum Wichsen, doch ich beherrschte mich. Abschütteln, einpacken, Reißverschluss zu. Mein Teil wurde etwas zu sehr gedrückt in der Anzughose. Ich seufzte.

Plötzlich presste sich etwas Hartes in meinen Rücken.

»Hände hoch!«, schnarrte eine raue Stimme.

Wegelagerer, Taschendiebe!, dachte ich. Nutzen die Notsituation schamlos aus! Gehorsam hob ich die Arme. Schließlich wollte ich nicht von Kugeln durchsiebt werden. Mein Aktenkoffer stand neben mir im Gras, doch mein Geld und die Kreditkarten steckten in den Innentaschen meines Jacketts.

»Umdrehen!«

Langsam wandte ich mich mit erhobenen Händen um.

Vor mir stand ein Sheriff. Ich schloss die Augen zwei-, dreimal, doch er verschwand nicht. Er mochte etwa vierzig Jahre alt sein, ziemlich bullig, und er trug einen altmodischen Schnurrbart. Seine Kleidung stammte anscheinend aus der Mottenkiste des Westerns, noch aus der Vorjeanszeit. An seiner dunkelbraunen Filzweste steckte ein blitzend goldener Sheriffstern.

»Hab ich dich endlich, Joe!«, brummte er zufrieden und zückte mit der Linken ein Paar Handschellen, während er weiter mit einem Respekt gebietenden Colt auf meine Brust zielte.

»Moment mal!«, wandte ich ein. »Ich heiße Jonas Rademann und nicht Joe, und ich habe keinerlei Verbrechen begangen!«

Er nickte. »Schon gut, Joe Dallas. Ich erkenne dich auf tausend Meilen! Du hast Harpers ältesten Bruder umgelegt, auch noch von hinten, das weiß die ganze Stadt. Hängen wollen sie dich! Aber weil alles mit Recht und Ordnung zugehen muss, wirst du vor den Friedensrichter kommen.« Er klappte eine Handschelle um mein Gelenk und zog rasch meine andere Hand heran. Auch hier schnappte der eiserne Ring mit einem metallischen Klick ein, ehe ich wirklich glauben konnte, was geschah.

»Hören Sie mal, Sie Faschingscowboy!«, rief ich erbost. »Sie verwechseln mich! Ich bin hier eben mit dem Zug liegen geblieben, und in zwei Stunden fahre ich hoffentlich weiter nach München! Ich habe Sie im Leben noch nicht gesehen, und einen Harper kenne ich auch nicht! Lassen Sie mich sofort frei!«

Er lachte in einem knarzigen Ton. »Erzähl dem alten Sheriff Cooper doch keine Märchen! Die neue Eisenbahnstrecke verläuft da drüben, hinter Silver Creek! Wo soll hier ein Zug sein? Und wer oder was ist München?«

Ich sah mich um, ging unter Coopers wachsamem Blick um das Gebüsch herum. Tatsächlich war da kein Zug mehr. Auch die anderen Fahrgäste schienen verschwunden zu sein. Jetzt sind die doch nicht etwa ohne mich weitergefahren?, dachte ich wütend. Doch dann erkannte ich, dass dort gar keine Gleise mehr lagen.

»Nun los! Ab aufs Pferd!«, schnauzte Cooper.

Ein massiger Brauner kam hinter den Sträuchern hervor, an seinem haarigen Maul klebten noch Grashalme. Misstrauisch beäugte er mich. Ich konnte Pferde nicht ausstehen und hatte auch noch nie auf einem gesessen.

Cooper nahm ein Lasso vom Knauf des hohen, fast mexikanisch aussehenden Sattels, fesselte mir noch zusätzlich die Arme an den Oberkörper und half mir dann auf die Kruppe des Braunen. Danach stieg er selbst auf, gab dem Gaul die Sporen und ritt mit mir über das trockene Grasland.

Ich wusste nicht, wie mir zumute sein sollte. Träumte ich im Zug? War ich plötzlich schizophren geworden, von zu viel Arbeit? Burn-out-Syndrom? Hatte ich vielleicht wirklich den Bruder des alten Harper … nein, den älteren Bruder von Harper umgebracht und konnte mich nur nicht daran erinnern? So etwas hatte es ja schon gegeben, partielle Amnesie oder so ähnlich. Mir brach der Schweiß aus. Was, wenn dieser Friedensrichter mich auch für schuldig hielt? Oder wenn ich unschuldig war, aber diesem Joe Dallas schrecklich ähnlich sah?

Plötzlich brach ich in Lachen aus. Wie dumm ich reagiert hatte! Selbstverständlich war alles nur ein Spiel! Ein Westernverein im Altmühltal, warum nicht, und sie nahmen halt mal einen Fremden gefangen, um eine Gerichtsverhandlung nachzuspielen.

Dann fiel mir wieder das verschwundene Eisenbahngleis ein, und das Lachen gefror mir auf dem Gesicht. Verwirrt blickte ich mich um, während ich auf dem Hinterteil des verdammten Kleppers durchgeschüttelt wurde. Das ganze Tal hatte sich verändert. Die Wiesen waren trockener und gelber als vorher, die Zahl der Bäume hatte sich drastisch verringert. Bizarre, gelblichgraue Felsen ragten auf. Und dort hinten, jenseits des schmalen Flusses, lag eine windschiefe Wild-West-Stadt, wie hingepflanzt aus einem Hollywood-Studio.

Cooper ließ sein Pferd an einer Furt durch den Fluss waten. Meine teuren Prada-Halbschuhe wurden feucht. Er lenkte den Braunen geradewegs auf das Städtchen zu.

Alles war genau so, wie man es aus Western kennt: Da gab es die breite, sandige Hauptstraße, dann die kleine Kirche, den Saloon mit Hotel, den Hufschmied, den Mietstall, den Kolonialwarenladen, den Sargtischler, die winzige, primitive Praxis des Doc, die wenig Vertrauen erweckende »Bank of Silver Creek« und natürlich das Sheriff-Büro. Holzbürgersteige führten vor den ebenfalls aus Holz errichteten, baufälligen Häusern vorbei, und davor waren jeweils die Querbalken angebracht, an denen man sein Pferd anbinden konnte. Malerisch und verwegen wirkende Kerle lungerten herum und glotzten den wenigen Frauen nach, die in raschelnden, langen Rüschenröcken vorbeieilten.

Ruckartig blieb der Gaul vor dem Sheriffbüro stehen, sodass ich auf den staubigen Filzwestenrücken von Cooper prallte. Wortlos stieg der Sheriff ab, band seinen Braunen an und half mir dann hinunter. Er stieß mich vor sich her in das heiße, muffige Büro hinein.

Der Raum war sehr einfach ausgestattet, wie es eben damals im amerikanischen Westen üblich war. Nur der Gewehrschrank wirkte gut bestückt. Im Hintergrund erkannte ich zwei leere Gefängniszellen. Zu meinem Entsetzen sah ich an der Wand ein kleines Plakat mit der Überschrift »Gesucht«, auf dem ein Bild von mir selbst prangte. Das Gesicht sah zwar stoppelig und ungewaschen aus, der Blick wirkte furchtbar verschlagen, aber die Ähnlichkeit war verblüffend. »Joe Dallas« stand darunter, und 200 Dollar Belohnung sollte es für Joes Ergreifung geben, tot oder lebendig!

»Okay, Joe!«, brummte Cooper und nahm mir das Lasso ab. »Und jetzt marsch in die Zelle!«

Ich wehrte mich nicht. Erstens war Cooper immer noch bewaffnet, und zweitens soll man ja als Unschuldiger ruhig bleiben und auf die Gerechtigkeit der Justiz vertrauen! Wie würde dieser Friedensrichter wohl ticken?

Die Tür des Sheriff-Büros flog auf, kaum dass Cooper meine Zellentür abgeschlossen hatte. Ein Mann kam herein, der sofort einen außergewöhnlichen und gefährlichen Glanz in das staubige Büro brachte. Er war noch größer als ich und ganz in Schwarz gekleidet. Die hohen Lederstiefel, die gut sitzende Hose, das halb offene Hemd und die mit Silbernieten besetzte, schwarze Lederweste ließen ihn topchic, ja, geradezu elegant wirken, zumal er einen ausgezeichneten Körperbau hatte, schlank, schmale Hüften, breite Schultern. Er trug zwei ebenfalls schwarze, mit Patronen gespickte Pistolengürtel, die sich unmittelbar oberhalb seiner prall gewölbten Schwanzbeule überkreuzten. Unter dem schwarzen Westernhut, der mit einem nietenbesetzten Lederband geschmückt war, erkannte ich sein dunkel gelocktes, im Nacken etwas längeres Haar. Sein glatt rasiertes Gesicht wirkte scharf und energisch, gut geschnitten und wundervoll gebräunt. Ich vergaß meine fatale Lage, ich vergaß die Handschellen – dieser Mann war ein absoluter Traum!

»Hej, Cooper!«, rief er mit einer tiefen Stimme, die mich innerlich erzittern ließ. »Ich bring dir Joe Dallas! Das, was von ihm übrig ist, hängt auf der Kruppe von meinem Hengst.«

»Joe … Dallas?«, fragte Cooper verblüfft zurück. »Das ist nicht dein Ernst, Dan! Den hab ich doch gerad eben in die Zelle gesteckt!«

Der schöne Dan starrte Cooper an, als sei der nicht bei Trost, dann schritt er durch das Büro auf meine Zelle zu. Ich sah ihn näher kommen und spürte, dass meine Anzughose eng wurde. Eine Hitzewelle überlief mich, als der fantastische Kerl direkt vor mir stand, groß und sexy. Kein Stäubchen schien auf seinen kräftigen Schultern zu liegen, obwohl er bestimmt einen langen Ritt hinter sich hatte. Seine tabakbraunen Augen waren schön wie glänzende Edelsteine.

»Das soll Joe Dallas sein?«, knurrte er. »Was hat der denn an? So einen Anzug und solche Schuhe hab ich im Leben noch nicht gesehen! Und der ist ja rasiert! Hast du Joe schon mal ohne Stoppelbart gesehen?« Er drehte sich auf dem Stiefelabsatz um, leise klirrten seine silbernen Sporen. Im Vorbeigehen packte er den Sheriff an der Schulter und zerrte ihn hinaus.

Aufgeregt lauschte ich ihrem Disput vor dem Büro, soweit ich ihn durch die offene Tür hindurch verfolgen konnte. Ein prachtvoller, schwarzbrauner Hengst war dort angebunden. Quer über dessen Hinterteil hing ein stoppelbärtiger Mann – mein Doppelgänger! Auf seiner Brust hatte sich ein großer Blutfleck über das karierte Hemd ausgebreitet. Mir wurde plötzlich kalt.

Endlich kamen die beiden Männer wieder herein. Cooper nahm Geldscheine aus einem altmodischen Safe und händigte sie Dan aus. Der tippte nur an seinen Hut und verließ das Büro.

Dann kam Cooper zu mir. »Tut mir leid«, brummelte er verlegen. »War wohl wirklich eine Verwechslung. Nichts für ungut!« Er schloss die Gittertür auf und nahm mir die Handschellen ab.

Ich rieb mir die Handgelenke, staubte meinen Anzug ab und fuhr mir durchs Haar. »Wer war denn mein Retter?«, fragte ich. Das war das Einzige, das mich interessierte.

»Daniel Helloway, ein Kopfgeldjäger. Sehr erfolgreich!« Er grinste. »Nimm dich in Acht vor ihm, falls du doch mal ein Verbrechen begehen solltest!«

»Danke für die Warnung!«, blaffte ich und verließ grußlos das Büro.

Draußen glühte die Nachmittagssonne auf den Staub der Straße. Ein Farmer mit seinem hoch beladenen Muli trottete vorbei, sonst erschien alles wie ausgestorben. Die Zunge klebte mir am Gaumen, also wandte ich mich dem Saloon zu. Ich drückte die typischen, halben Schwingtüren auf.

Nun sah ich, warum es auf der Straße wie leergefegt war – alle Welt hatte sich um Dan Helloway versammelt, der am Tresen stand und gerade Brandy bestellte. Zwischen den verwegenen Männergestalten hüpften zwei Saloon-Damen in tief dekolletierten Seidenkleidern herum und machten Dan schöne Augen. Eifersucht kochte in mir auf. Ich bahnte mir einen Weg bis zum Tresen und reichte dem Helden des Tages meine Rechte. »Ich danke dir, dass du mich vor dem Galgen bewahrt hast!«, sagte ich mit einem hoffentlich charmanten Lächeln.

Er schüttelte meine Hand. Die Berührung lief wie Strom durch meinen Körper. »Hab ich gern gemacht! Ich wollte schließlich meine 200 Dollar!« Er lachte herzhaft. »Wo kommst du denn her? Hab dich noch nie gesehen!«

»Von der Ostküste«, gab ich nach kurzem Zögern zurück. Es hatte keinen Zweck, die Wahrheit zu erklären. »Mein Name ist Jon.« Ich kürzte meinen Vornamen ab, wie es in Amerika von jeher üblich war.

»Trink einen mit mir, Jon!«, sagte Dan, und der Wirt goss schon ein. Wir hoben die einfachen Gläser und ließen sie aneinander knallen. Die Leute ringsherum grölten vor Freude. Der Brandy floss wie flüssiges Feuer durch meine Kehle, und in meiner Hose brannte mein Schwanz lichterloh vor Sehnsucht.

»Wie hast du’s geschafft, Dan?« – »Erzähl mal!« – »Hast du ihn gleich abgeknallt oder noch ein bisschen gequält?« So schrien sie durcheinander. Etwas mulmig wurde mir doch zumute. Ein toller Kerl war dieser Dan – aber er jagte berufsmäßig Menschen und schoss sie ab wie Karnickel.

»Ach, quatscht nicht kariert, Jungs!«, wehrte Dan ab. »Ich war eben einfach schneller, wie immer. Entweder er – oder ich.« Er nahm einen großen Schluck Brandy und wischte sich die schönen Lippen mit dem Handrücken ab.

»Danny, du hast doch heute Abend Zeit für mich?«, schnurrte die blonde Saloon-Dame, und die braunhaarige versuchte sogar, ihn zu küssen. Mein Magen rebellierte.

Dan schob die beiden Frauen weg. »Später!«, knurrte er. »Komm, Jon, ich zeig dir die Stelle, wo ich ihn erwischt hab!« Er stürmte schon aus dem Saloon. Ich rannte hinter ihm her, nicht, weil mich diese »Stelle« interessierte, sondern weil ich glücklich war, dass er sich mit mir befassen wollte. ...

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